Wie schaffen wir das mit der digitalen Transformation?

Geschrieben von
Sarah
Schlesinger
Veröffentlicht am
Sep 3, 2022


„Das iPhone wird nie im Leben einen bedeutenden Marktanteil erlangen. Keine Chance
.“ - Steve Ballmer, CEO Microsoft, April 2007.

„Apple weiß doch gar nicht, wie man Handys baut.“ - Anssi Vanjoki, Executive Vice President Nokia, 2008.

„Digitalfotografie wird den analogen Film nicht verdrängen.“ – George Fisher, CEO Kodak, 1997.

Aus Fehlern anderer Mut fürs eigene Handeln ziehen

Diese drei spektakulären Fehleinschätzungen sorgten in allen Fällen dafür, dass Unternehmensgiganten erhebliche Marktanteile verloren. Die Markteinführung des iPhones durch Apple führte bei Kodak sogar zur Insolvenz, obwohl das Unternehmen eigentlich Vorreiter im Bereich Fototechnik war. Das Management entschied allerdings, lieber den erfolgreichen Status quo im Analogen zu bewahren, statt durch Einführung einer digitalen Technologie die Marktführerschaft in einem neuen Segment anzustreben.[1] Kodak scheiterte dank solider Verfechter des Kerngeschäfts, anstatt auf Visionäre in der Führungsriege zu setzen. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs spielte das Unternehmen auf Sicherheit – eigentlich kaum zu verübeln. Ob am Ende vielleicht auch Bequemlichkeit den Innovationsdrang im Keim erstickte, sei dahingestellt. Fest steht hingegen: Es fehlte eine weitsichtige Strategie für eine zukunftsfähige Aufstellung in Zeiten, in denen neue Technologien bereits Veränderung in den Markt trugen und diese selbst – wenn auch ohne Überzeugung – bereits angewendet wurden. Der Rest ist bekannt: Es folgte ein beispiellos desaströses Scheitern, dessen Muster sich aber in vielen Wirtschaftsbereichen wiederfinden lässt. Auch in unserer Bau- und Immobilienwirtschaft? Noch ungewiss, denn der Wandel der Branche setzt erheblich viel später ein als etwa im Kommunikationsbereich. Und obwohl diese Trägheit jetzt zu einem extremen Zeitdruck führt, so bietet sich uns dadurch doch eine große Chance: Wir können wunderbar von den Mustern des Scheiterns und den gemachten Fehlern lernen. Doch (noch) erleben wir bei Immobilien-Entscheidern vergleichbares Verharren im Modus des Bekannten und wenig Drive für Veränderung. Es braucht Mut, um im Angesicht des eigenen Erfolgs die Entscheidung zum Kurswechsel zu treffen. Doch solche Konsequenz und die Bereitschaft, ins Risiko zu gehen, kann Überleben und Zukunft sichern.

Nicht auf die vorhandenen Kompetenzen beschränken

Der Abstieg von Nokia lässt sich aus Sicht der bauenden Welt ggfs. noch besser verstehen. Als Experten für das Zusammenbauen von Einzelkomponenten fehlte fast über Nacht die vorher kaum benötigte Programmier- und Softwarekompetenz, um den Betriebssystemen iOS oder Android etwas entgegenzusetzen. Doch auch in puncto Kundenwünschen ruhte sich das Unternehmen auf seinem Erfolg aus und wurde vom ultradünnen Motorola-Klapphandy kalt erwischt. Nokia investierte in den Jahren bis zur Markteinführung des iPhones fast zehnmal so viel Budget in Forschung und Entwicklung (>22 Milliarden US-Dollar). Dennoch hatte Apple dank Investitionen in Startups und in deren Integration, eines gelingenden Talentscouting, erfolgreichen Führungsstils oder auch durch die Besetzung von Führungspositionen mit Visionären im Kampf um die Marktführerschaft die Nase weit vorn.[2] Während Nokia 2007 noch einen Marktanteil von über 50 % sowie eine Marktkapitalisierung von 250 Milliarden US-Dollar verzeichnete, brach der Marktanteil innerhalb von sechs Jahren nach Einführung des iPhones im Juni 2007 auf niedrige 3 % ein. Außerdem wurde das gesamte Unternehmen für gerade mal 7,2 Milliarden US-Dollar verkauft. Nokia setzte auf Zusammenbau-Kompetenz, überschätzte aber die Bedeutung der (vielleicht hübschen, jedoch austauschbaren) Hülle (wie bei mancher Immobilienplanung) und unterschätzte vollkommen die Chance des Softwareanbieters, der zunehmend Produkt- und Serviceangebot gestaltete. Nokia ist das passiert, was wir später ebenfalls in der Automobil- oder auch Unterhaltungsindustrie beobachten konnten. Betriebssysteme und Software nahmen innerhalb kürzester Zeit einen so hohen Stellenwert ein, dass die ehemaligen Produkte in den Hintergrund rückten und beispielsweise Autos wie zuvor Handys zu Computern wurden. Welchen Grund sollte es geben, anzunehmen, dass gleiches nicht für das Produkt geschieht, dass uns 90 % unserer Zeit umgibt? Den Immobilien. Ist es nicht längst soweit, dass die Begriffe Smart Home oder Smart Building akzeptiert wurden und in unseren Sprachgebrauch übergegangen sind? Wird dann also konsequent der Softwareanbieter mit der attraktivsten Hardware drumherum zukünftig in der Immobilienbranche den Ton angeben? Einzig der kometenhafte Aufstieg eines oder mehrerer neuer Player auf dem Markt in international messbaren Börsenwerten wie bei Apple, Tesla oder Amazon fehlt noch für den PropTech-Bereich. Doch ob der massiven Ineffizienzen, die das Entwickeln, Planen, Bauen, Betreiben und Managen, Finanzieren, Vermarkten sowie Sanieren von Immobilien heute ausmachen, ist es keine Frage des „ob“. Vielmehr geht es darum, wie schnell und wie genau sich die Perspektive in der Bau- und Immobilienwirtschaft wandelt.

Obwohl Kodak, Nokia oder auch Microsoft zuvor keineswegs in den gleichen Marktsegmenten tätig waren, hat ein einziger neuer Anbieter es geschafft, alle drei Konzerne nachhaltig in die Krise zu stürzen. Schauen wir uns den noch sehr jungen PropTech-Bereich an, können wir schon feststellen, dass viele der Anbieter ihre Lösungen bereits heute für mehr als drei Lebenszyklusphasen sowie mehr als vier Lebenszyklusphasen anbieten (vgl. PropTech Germany Studie 2021). Es reicht also nicht, den aktuellen Wettbewerb sowie das eigene Marktsegment im Auge zu behalten. Es lohnt sich frühzeitig die Augen nach neuen Anbietern offen zu halten, um sich darauf einstellen zu können und sich nicht auf die vorhandenen Kompetenzen zu beschränken. Nur ein Umdenken und das Beschreiten neuer Wege führt zu Chancen, die in Zeiten der Digitalisierung und sich verändernder Marktbedingungen Zukunftsfähigkeit ermöglichen. Wer sich nicht bewegt, hat schon verloren.

Kunden- und Nutzerwünsche in den Fokus stellen

Aus dem Zitat von Microsoft-Ex-CEO Steve Ballmer, das mit schallendem Gelächter einherging, können wir noch größere Lehren ziehen. Nur sechs Jahre später bezeichnete er selbst das Unterschätzen des iPhones als seinen (und Microsofts) größten Fehler. Im Gegensatz zu Nokia konzentrierte sich das Unternehmen zu sehr auf Software und war nicht fähig, ein Smartphone mit Zugang zum eigenen Betriebssystem zu liefern. Im Gegensatz zu Apple fokussierte sich Microsoft zu sehr auf das eigene Produkt statt auf die sich wandelnden Kunden- bzw. Nutzerbedürfnisse. Die simple Verbindung eines in der Hand haltbaren Mini-Computers, mit dem telefoniert und kommuniziert, fotografiert und gefilmt sowie diverse Anwendung gesteuert werden konnte, ersetzte diverse andere Produkte und Services. Er hängte all diejenigen ab, die nicht kompatibel mit dem angebotenen Smartphone waren. Das iPhone wurde zum Gatekeeper und Apple entscheidet im geschlossenen System bis heute, welche Anwendung auf ihr System darf – und wie viel sie daran verdienen. Eine nachhaltig clevere Strategie und ein bis heute funktionierendes Geschäftsmodell. Das gedankliche Übertragen auf die Immobilienwirtschaft mag an dieser Stelle schwerfallen. Doch die Arroganz, fast sogar schon Ignoranz des Unternehmenslenkers Ballmer kam nur kurz vor dem harten Fall. Das geschlossene Plattformmodell von Apple hat bereits einige Immobilienunternehmen, insbesondere aus dem Fonds- oder Assetmanagement-Bereich inspiriert, ihre eigene Softwarewelt zu entwickeln, Lösungen anzuflanschen und ihren Subunternehmern die Nutzung des Systems aufzuzwingen. Spannender zu sehen sind allerdings die bereits vorhandenen oder in Entstehung befindlichen Plattformanbieter, die mit ihren offenen Systemen Einzellösungen zusammenführen und so der Branche, entsprechend der Kunden- und Nutzerwünsche, geballt relevantere Ökosystem-Gesamtlösungen anbieten. Geheimnis des Erfolgs ist hier die konsequente Kundenzentrierung, in der eben nicht nur Vertrieb und Kundenservice sondern die gesamte Wertschöpfung aus Kundensicht optimiert wird. Der traditionelle selbstzentrierte Ansatz, was dem Markt und Kunden wann, wie und wo angeboten wird, um erfolgreicher zu werden, wird ersetzt. Und zwar durch die konsequente Perspektive, dass die Kundensicht und dessen Interessen die wichtigste Überlegung und Ausgangspunkt aller wichtigen Entscheidungen werden. Was sich zunächst im Rahmen der eigenen Transformation ungewohnt anfühlt und meist eine Abkehr von hierarchischer Führung bedeutet, bietet nachhaltige Erfolgschancen.

Der Pfad der Erleuchtung

Der Anteil an Immobilienunternehmen, die sich mit eigener Transformation und den Hausaufgaben für die eigene Digitalisierung beschäftigten, war gemäß der jährlichen Digitalisierungsstudie von EY & ZIA niemals so hoch. Doch ist es noch nicht lange her, dass Technologie unsere Branche erreicht hat. Das Marktforschungsinstitut Gartner nutzt seit 1995 den Hype Cycle zur Bewertung des Einführungsgrades neuer Technologien.

Abb.: Quelle blackprint

Zu Beginn steht ein technologischer Auslöser, der für ein beachtliches Interesse des Fachpublikums sorgt. Die Einführung des Bestellerprinzips sorgte 2015 für eine Disruption in der Immobilienvermarktung. Die Anzahl an Startups in diesem Bereich stieg sprunghaft an. 2016 hat blackprint den Begriff PropTech erstmals in einem deutschen Fachartikel verwendet. Mit dem steilen Anstieg der Aufmerksamkeit für dieses Thema ging die Herauskristallisierung einer eigenen Bezeichnung wie FinTech, MedTech oder InsureTech für Startups mit Fokus auf den Immobilienlebenszyklus einher. Mit Begeisterung pilgerten früh Überzeugte zu Demo Days, PropTech-Veranstaltungen und ließen sich auf erste Kooperationen ein. Gemäß Amaras Gesetz findet sich im Hype Cycle bei Gartner allerdings wieder, dass wir dazu neigen, kurzfristig die Wirkung einer Technologie zu überschätzen, sie langfristig allerdings zu untererschätzen. Auch wenn der Zyklus beispielsweise aus der Bankenwelt beim Treffen auf Startups fast identisch verlief, folgte auch die Bau- und Immobilienwirtschaft dem Muster hin zum Gipfel überzogener Erwartungen. Während einige erfolgreiche Anwendungen zu identifizieren waren, kämpften Tech Companies meist noch mit Kinderkrankheiten. Statt dem Hype mit Besonnenheit zu begegnen, führten überzogene Erwartungen, dass PropTechs mit einem Button per Klick alle Versäumnisse der letzten Jahrzehnte aufholen könnten, dazu, dass sich „PropTech“ und „Digitalisierung“ in 2019 zu Buzzwords entwickelten. Das Tal der Enttäuschung ging so weit, dass in medialer Berichterstattung oder auch von den Tagesordnungen wichtiger Events die Begriffe zeitweise völlig verschwanden. Auch ohne Corona hätte spätestens  2021 der Pfad der Erleuchtung etablierte Unternehmensvertreter erneut mit PropTechs zusammengebracht. Durch ein gewachsenes und besseres Verständnis für Mehrwerte sowie Grenzen von digitalen Lösungen allerdings jetzt auf einem erheblich realistischer und damit funktionierenden Niveau. Jedenfalls bis die Vorteile allgemein anerkannt, akzeptiert und ein Plateau der Produktivität zwischen alter und neuer etablierter Welt und Tech-Welt erreicht ist. Dank Corona in Kombination mit ESG-Gesetzgebung führte der Pfad aber schneller und konsequenter nach oben als gedacht. Bei differenzierterer Betrachtung zeigt sich, dass für spezielle Teil-Segmente von PropTech, wie beispielsweise ConTech (Construction Technology), der Hype Cycle an anderer Stelle steht. Der Planungs- und Baubereich wurde später von Technologie erfasst und befindet sich noch hinter dem Entwicklungsstand von PropTech als Überbegriff. Die FinTechs mit Finanzierungslösungen für Immobilien, also ebenfalls ein Teil bzw. Schnittmenge von PropTech, ist im Zyklus erheblich weiter entwickelt. Robotic oder Drohnen, um auf konkrete Technologien einzugehen, sind Beispiele für (Trend-)Technologien, mit denen bisher kaum Lösungen mit Immobilienbezug entwickelt wurden. Es lohnt sich also für Branchenunternehmen, die Entwicklungen entlang des Hype Cycles im Auge zu behalten. Entweder zur eigenen Effizienzsteigerung, als Geschäftsfelderweiterungsmöglichkeit oder aber rein aus Gründen der Wettbewerbsbeobachtung.

„In der heutigen Zeit gibt es keinen anderen Weg, als sich neu zu erfinden. Der einzige nachhaltige Vorteil, den man gegenüber anderen haben kann, ist Agilität. Nichts anderes ist nachhaltig. Denn alles, was du erschaffst, wird jemand anderes replizieren.“ – Jeff Bezos, Gründer von Amazon

Die Roadmap zur Digitalisierung

Neben dem Pandemie-Booster oder dem regulatorischen Druck durch ESG-Anforderungen sorgt insbesondere eine besondere Form des Kapitaldrucks für innovative Veränderung in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Während 2018 gerade die ersten professionellen Venture Capital Fonds in Deutschland entstanden, gibt es spätestens seit Sommer 2021 eine Vielzahl an Vehikeln, viele aus dem internationalen Raum und/oder nicht aus dem Immobiliensektor kommend, die ihr Wagniskapital in PropTechs stecken. Warum? Weil dies einer der umsatz- und renditestärksten Wirtschaftssektoren weltweit ist. Und gleichzeitig einer der massiv ineffizientesten, manuellsten, am wenigsten digitalisierten. Damit wirkt unsere Branche wie die vielleicht letzte verbliebene, magisch anziehende Goldgrube traditioneller Wirtschaftsbereiche.

Die Botschaft lautet also: Lasst es nicht zum Kodak- oder Nokia-Momentum kommen. Welche Schritte sind aber jetzt zu gehen, um zu digitalisieren, zu transformieren und das eigene Unternehmen zukunftsfähig auszurichten? Was in der Praxis selten gradlinig verläuft, lässt sich in der Theorie in einzelne Phasen zur Entwicklung und Umsetzung der individuellen Roadmap einteilen.

Abb.: Quelle blackprint

Phase 0: Orientierung schaffen

Was sind die richtigen Schritte? Und welche gibt es überhaupt? Was ist möglich? Und was haben andere schon gemacht? Diese Fragen stehen am Anfang des Weges, wobei zunächst Wissen über Grundlagen der Digitalisierung und Transformation gesammelt werden, erste Gespräche mit PropTechs oder Best Practice-Beispielen aus der Branche geführt werden. Begriffe wie Investment, Wagniskapital, Innovationseinheiten, Startup-Kooperationen oder ähnliches tauchen das erste Mal auf. Idealerweise beschäftigen sich neben den Treibern der Führungsspitze auch interessierte Multiplikatoren (unabhängig von der Unternehmensebene) mit der Sammlung von Impulsen, Informationen, Daten sowie mit der Vernetzung in diese neue Tech- und Innovationswelt. LinkedIn und (digitale) Events sind ein guter Anfang, vertiefte Eins-zu-Eins-Gespräche mit Experten aus dem neu entdeckten Ökosystem sicher die richtige Abrundung. Ziel ist es, in dieser Phase Orientierung zu schaffen, zu sensibilisieren und Begeisterung für Digitalisierung zu wecken.

Phase 1: Status Quo analysieren

Es gilt, eine Informationsbasis zu schaffen als Vorbereitung für Entscheidungen bezüglich der Zielsetzung im nächsten Schritt. Der Status quo sollte analysiert werden. Welche Systeme sind vorhanden (bis hin zur Excelliste)? Welche Prozesse gibt es? Welche Verantwortlichkeiten, Budgets, Daten und Strukturen hat das Unternehmen? Und welche Produkte samt Pricings bietet der Markt? Dies betrifft sehr viele unternehmensinterne Hausaufgaben, doch lohnt sich auch hier bereits die Dokumentation von allem, was Kunden, Markt oder Produkte/Immobilien betrifft. Dazu zählt auch die eigene Verortung in Markt und Wettbewerb. Was können und leisten andere? Wo hat das eigene Unternehmen einen Vorsprung? Dabei sollte an die etablierten Player von heute, aber auch an neue Player wie PropTechs gedacht werden. Für die Standortbestimmung zur Digitalisierung lohnt sich externe Unterstützung für die Markt- und Wettbewerbseinordnung aber auch als Moderator und Orchestrator, z.B. beim Einsatz agiler Methoden. Mit einem „Kill your Company“-Workshop oder einem internen „Idea Creation Hackathon“ können Risiken oder Probleme bzw. Chancen und potenzielle Entwicklungsmöglichkeiten identifiziert werden. Es geht auch klassischer, etwa durch Interviews mit relevanten Unternehmensvertretern, um Optimierungschancen und neue Geschäftspotentiale zu analysieren. Ergänzend zu einer solchen Dokumentation sollte die Kundenzentrierung geübt werden. Dazu braucht es die Ermittlung aller relevanter externer Stakeholder. Und zwar nicht aus Marketinggründen, sondern als essenzielle Basis für alle zukünftigen Entscheidungen.

Phase 2: Zielbild definieren

Mit der Kenntnis der eigenen Ausgangslage und Positionierung lässt sich Phase 2 relativ leicht und schnell erledigen. Es gilt, das Zielbild zu definieren. Dazu gehört eine belastbare, nach außen kommunizierbare Unternehmensvision. Aber auch intern braucht es eine klare, Mitarbeiter begeisternde Missionsausformulierung. Zudem gilt es das Alleinstellungsmerkmal (USP), welches das Unternehmen unverwechselbar vom Wettbewerb abhebt, herauszustellen. Die Nutzung eines Business Modell Canvas ist eine hervorragende Idee. Auch hier kann externe Moderation helfen, interne Diskussionen oder auch Unverständnis über den Bedarf an solchen Ausformulierungen glattzubügeln. Wochenlanges Ausarbeiten ist in diesem Punkt nicht angesagt. Ein bis zwei effektive Workshoptage mit einer Allianz aus Digitalisierungs-Willigen  sollten die Felder des Canvas füllen. Zu diesen gehören nicht ausschließlich Führungskräfte, in jedem Fall sollte der CEO aber beteiligt sein. Warum sich das Vorgehen wie im Startup lohnt? Weil es die Grundlage für nachhaltigen, skalierbaren Unternehmenserfolg ist, sich nicht nur Gedanken, sondern auch eine schriftliche Basis zu schaffen für das zukunftsfähige Setup des Unternehmens und den Weg dahin.

Phase 3: Strategie & Konzept entwickeln

Das Unternehmen kennt nach den vorherigen Schritten bereits die eigenen Stärken und Schwächen, die Mitbewerber, den Markt und die Kunden. Im nächsten Schritt werden all diese Perspektiven verbunden und es wird festgelegt, welche Aufstellung für die Zukunft Sinn macht. Die Formulierung einer Strategie bietet innerhalb der Organisation Orientierung, konkrete strategische Ziele (kurz-, mittel und langfristige Ziele) und benennt die zur Erreichung der Ziele notwendigen Maßnahmen. Die strategischen Ziele müssen so heruntergebrochen werden, dass alle Mitarbeitenden und Führungskräfte der Organisation eingebunden sind. Sie müssen verstehen, wie in der Umsetzung Strukturen, Systeme, Prozesse, Ressourcen sowie insbesondere das Mindset, die Unternehmenskultur, angegangen werden. Entscheidend für die im Gesamtkonzept zusammenzutragenden strategischen Ziele ist, dass diese SMART (spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch, terminiert) formuliert sind.

Phase 4: Roadmap festlegen

Strategie und Konzept haben das Wie und das Was festgelegt. Ob eine eigene Innovationseinheit zum Ziel führt, ob diese ein eigener Inkubator, Accellerator oder Company Builder ist, ob ein Venture-Arm für Beteiligungen an Fonds oder direkt an Startups gebildet wird, ob Business Development eng am Kerngeschäft erfolgen soll oder bewusst frei denken kann, sämtliche definierten Schritte werden in diesem Schritt priorisiert und zeitlich sowie organisatorisch geplant. Zur Roadmap-Festlegung gehören dabei auch die Budgetfestlegungen, die Definition von KPIs, messbaren Kenngrößen für den jeweiligen Erfolg und die Definition klarer Deadlines und Verantwortlichkeiten. In einer idealen Welt sind alle diese Hausaufgaben als Setup erbracht und die Umsetzung kann sauber vorbereitet und geplant losgehen. In der Praxis fehlt es an dieser Gradlinigkeit. Ein Unternehmen auf Transformationskurs tut allerdings gut daran, diesen Weg nachgelagert doch noch zu beschreiten, auch wenn bereits einzelne Umsetzungsprojekte erfolgt sein sollten.

Phase 5: Strategie & Maßnahmen umsetzen

Die Pläne sind geschmiedet, der Weg und das Ziel sind klar. Die internen Weichen sind gestellt. Extern gibt es eine gute Einbindung in Netzwerke, Ökosysteme und somit Sparringspartner für alle im Unternehmen und an der Transformation aktiv Beteiligten. Clever können hier auch gezielte externe Mentoren für die Digitalisierung sein, strategisch für die Führungsebene oder operativ bzgl. der Beratung zu Maßnahmen oder als Unterstützer beim Scouting spannender PropTech-Lösungen. Diese zu beobachten, macht Sinn aus Markt- und Wettbewerbsbeobachtungsgründen, für mögliche Kooperationen oder avisierte Beteiligungen.

  1. Strukturen & Verantwortlichkeiten: Wie sieht das zukünftige Organigramm aus? Wie werden bestehende Machtsilos und Abteilungen sinnvoll umstrukturiert, um mithilfe agiler Führung, flacher Hierarchien und neugeregelter Zuständigkeiten ein schlagkräftiges, kompetentes und innovatives Unternehmen modern aufzustellen? Die Implementierung neuer Querschnittsfunktionen wie Digitalisierung, Innovationen oder Nachhaltigkeit muss abgebildet werden. Aus dem strategischen Zielbild sollten sich die Anforderungen an die neuen Strukturen und Verantwortlichkeiten ableiten lassen.
  2. Daten & Kernsysteme IT: Keine Transformation gelingt ohne interne Hausaufgaben. Das Faxgerät gehört sicher nicht zur zukunftsfähigen Ausstattung. Die Einführung von Cloudlösungen, mobilen Geräten, CRM- oder automatischen Rechnungslaufsystemen, von Videokonferenztools, Echtzeitchats oder Projektmanagement-Tools, Datendigitalisierungs- und -Verfügbarmachungstools gehören zu den Grundlagen, die intern geschaffen werden müssen, um überhaupt Effizienzsteigerungen zu erreichen. Im Optimalfall sind all diese Systeme miteinander vernetzt.
  3. Prozesse zum Kunden/Markt: Mit diesen Prozessen wird bisher das Geld verdient. Diese effizienter zu machen, sorgt für Marge, kann aber auch die Refinanzierbarkeit von Investitionen, beispielsweise in ESG-Anforderungen, ermöglichen. An dieser Stelle haben PropTech-Lösungen vielfältige Optimierungen und neue Wege zu bieten. Unternehmen sollten der Gefahr aus dem Weg gehen, schlichtweg die schlechten analogen Prozesse zu digitalisieren und Veränderung in den oft liebgewonnenen, vertrauten Abläufen zu akzeptieren.
  4. Change Culture & Mindset: Der Wandel im Kopf ist der schwerste. Aber eben auch der nachhaltig effizienteste. Agile Führung, klare Visionen und sinnstiftende strategische Maßnahmen triggern die intrinsische Motivation von Mitarbeitenden und Führungskräften. Aber nur, wenn es gelingt, diese im Kopf mit auf die Reise zum gesetzten Zielbild zu nehmen. Mit cleveren Maßnahmen, bei denen insbesondere auch der HR-Bereich eine tragende Rolle spielen kann bzgl. Führungskräftecoachings oder cleveren Zielvereinbarungen für die sonst lähmende Mittelmanagementebene, kann dies gelingen. Außerdem schaffen diese Maßnahmen eine gesteigerte Loyalität zum Unternehmen und Raum für innovative Ideen. Unternehmenskultur hat viel mit Vorbildern zu tun, und somit mit der Besetzung und Haltung der Unternehmensspitze. Um die Gesamtorganisation mit auf die Reise zu nehmen, bietet sich die Einbindung in die Ideenentwicklung, wie durch interne Hackathons oder auch ESG-Innovation Days, hervorragend an.
  5. Neue Geschäftsmodelle & Produktinnovationen: Zur nachhaltigen Aufstellung des Unternehmens gehört auch die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit. Innerhalb eigener Innovationsabteilungen, die im Optimalfall räumlich getrennt und in einer eigenen rechtlichen Einheit organisiert sind,  lassen sich Marktpotentiale und -Nischen ermitteln. Außerdem können dort neue Geschäftschancen identifiziert und Lösungen entwickelt werden. Dies kann erfolgen durch eigene Konzeptionierung bzw. Programmierung und idealerweise irgendwann durch eine Ausgründung (etwa in einem eigenen Company Building Case). Oder durch Co-Creation mit einem oder mehreren Partnern, beispielsweise PropTechs. Oder – wenn auch in den wenigsten Fällen langfristig funktionierend – als Auftragsarbeit an Agenturen. Hierbei geht es bewusst um vom Kerngeschäft eher ferne, neue Geschäftsmodelle bis hin zu Moon Shots, also Projekte mit sehr langer Entwicklungs- und Vorlaufzeit. Doch auch nahe am Kerngeschäft lohnt sich die Beschäftigung sowohl mit Prozesseffizienzen wie auch mit Neuerungen, beispielsweise bezogen auf Produkte und Services. Dabei lohnt sich nochmals ein Blick auf die Versäumnisse der oben genannten Zitatgeber im Angesicht Apples. Die Chancen waren da. Nur genutzt wurden sie nicht mit Konsequenz.
  6. Beteiligungen & Akquisitionen: Auch wenn insbesondere unsere Bau-affine Branche dazu neigt, erstmal alles selbst machen zu wollen, zeigen die Aktivitäten der letzten Monate bereits, dass vermehrt etablierte Bau- und Immobilienunternehmen auch die Möglichkeit gesellschaftsrechtlicher An- oder Aufkäufe nutzen, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Minderheitsbeteiligungen an Startups sind dabei ein sehr gefährlicher, wenn auch gern angegangener erster Schritt. Mit ungeahnt aufwendigen, teils schwer schädlichen Folgen. Der erhoffte Lernerfolg, der vermeintliche Mehrwert durch Marktzugang, der dem PropTech versprochen wird und erst recht die erhoffte Rendite durch Beteiligungsgewinne treffen häufig nicht ein. Der Aufwand des Beteiligungsmanagements ist erheblich. Clever sind allerdings Beteiligungen an Venture Capital Fonds als strategischer Baustein. Mit der Perspektive auf tatsächliche Beteiligungsgewinne, vor allem aber Blicken hinter die Kulissen von Startups, den Evaluierungsprozess und das laufende Beteiligungsmanagement ohne selbst die Verantwortung zu tragen. Das bringt unbezahlbares Knowhow ins Unternehmen. Dies dürfen gern mehrere VC-Fonds-Partnerschaften national, wie international und mit unterschiedlichem Fokus sein. Der Zusammenschluss mit anderen Firmen oder aber die Akquisition, bspw. von PropTechs mit spannenden Produkt- und Serviceneuheiten, die das Kerngeschäft sinnvoll erweitern, bieten sich beim bereits vorhandenen Reifegrad des PropTech-Marktes an.

Das klingt aufwendig? Langwierig? Ja. Aber es ist lohnend. Vielleicht sogar alternativlos. Nur: Das weiß man eben erst hinterher. Dann ist es ggf. zu spät. Moderne „Startups“ wie Apple im Vergleich zu Nokia oder Amazon im Vergleich zum untergegangenen Unternehmen Quelle haben davon profitiert, dass die etablierten Unternehmen auf Altbewährtes, gut Bekanntes und Erprobtes setzten. Im Angesicht des Erfolgs gingen sie von weiteren Gewinnen aus – ohne Innovationen, Investitionen und Risiko. Die Rechnung ging nicht auf. Aber genau das kommt aktuell noch vertraut vor, wenn man Diskursen, Paneldiskussionen oder bilateralen Gesprächen mit Entscheidern der Bau- und Immobilienwirtschaft lauscht.

„Wer sich nicht digitalisiert, wird ausgeknockt.“ – Wladimir Klitschko

Das will niemand. So schwer ist das mit der digitalen Transformation auch gar nicht. Geschafft wird es am besten gemeinsam. Im Team. Und mit Hausaufgaben, Willen, Motivation, Leidenschaft, Budget und strukturierter Planung. Bau- und Immobilienunternehmen haben die riesige Chance, sich an praxiserprobten Best Practices entlanghangeln und analysierten Fehlern untergegangener Giganten, um selbst nachhaltig zukunftsfähig zu profitieren. Hauptsache Machen. Denn jede Strategie ist nur so gut wie ihre Umsetzung.

[1] http://www.i-q-i.net/de/warum-unternehmen-scheitern-kodak/

[2] https://www.i-q-i.net/de/warum-unternehmen-scheitern-nokia/

Über
Sarah
Schlesinger

Sarah Schlesinger ist Managing Partner bei blackprint. In ihrer Rolle vernetzt sie gezielt etablierte Immobilienunternehmen, PropTechs und Wagniskapitalgeber miteinander und treibt digitale Geschäftsmodelle zur Schaffung einer nachhaltig funktionierenden Bau- und Immobilienwirtschaft voran. Im ZIA leitet sie die Projektgruppe ESG & Digitalisierung, im BITKOM ist sie Vorständin des AK Digital Construction & Real Estate. Vor ihrer Zeit bei blackprint gründete und führte sie vier Jahre lang ein eigenes PropTech und leitete sechs Jahre für einen internationalen Shoppingcenter-Betreiber die Servicegesellschaften zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. 2019 wurde Sarah Schlesinger mit dem Deutschen Exzellenz-Preis in der Kategorie „Manager & Macher“ ausgezeichnet. Das Branchenmagazin immobilienmanager wählte sie zudem 2019, 2020, 2021 und 2022 unter die Top 25 Frauen der Immobilienwirtschaft.

Über
blackprint

Als Pioniere der Bau- und Immobilienwelt treibt blackprint als Digitalisierungs-Hub die Zukunftsfähigkeit der Bau- und Immobilienwelt voran. blackprint wurde 2016 von der Feldhoff Gruppe gemeinsam mit weiteren Unternehmern mit dem Ziel gegründet, die Digitalisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft voranzutreiben und zu gestalten. Heute verstehen wir uns als Beratungsunternehmen für Digitalisierungsstrategien und als Netzwerk- und Knowledge-Plattform. Wir widmen uns der Vernetzung der Akteure in unserer Branche bei visionären Events, begleiten PropTechs bei ihrem Wachstum und vermitteln Wissen rund um die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft. Mit Leidenschaft streben wir nach einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Bau- und Immobilienbranche.

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